Trans*Hund

Neues Wort beim Scrabble

Ich habe Stefan versprochen einen Post zu schreiben bis Freitagmittag. Jetzt ist es 14.53 und ich habe bereits kurz mit dem Gedanken gespielt, ihm eine E-Mail zu schicken, mit dem Inhalt: FAAAIIILED! Ich habe mich dann aber doch dagegen entschieden – schließlich ist Mittag ein dehnbarer Begriff. Die Mittagsruhe in Neapel dauert bis 16 Uhr, das heißt, ich habe jetzt noch 66 Minuten Zeit, um nicht kapitulieren zu müssen.

„Schreib doch über Hunde“, hatte Stefan vorgeschlagen und ich hatte dankend abgelehnt. Nur weil allein das ausgesprochene Wort Hundebabys bei vielen Menschen zu spontanen Verzückungsschreien führt, und nur weil wir zufällig gerade einen 12 Wochen jungen Welpen im Haus haben? Billiges Marketing, fand ich. Noch dazu am Thema des Blogs vorbei. Was haben Hundewelpen mit Schreiben oder Queer zu tun? Doch dann fiel mir ein, wie Ally, unser Pudelwelpe zu uns gekommen war und ich überlegte es mir anders.

Will man heute einen Hundewelpen einer begehrten Rasse käuflich erwerben, kann man sich das in etwa so vorstellen, als wenn man sich in Berlin Schöneberg um eine 3-Zimmer Altbauwohnung mit Stuck und Parkett für 800 Euro warm bewirbt. Die Schlange der Interessenten reicht vom dritten Stock bis auf die Straße, jeder bretzelt sich auf, dass es kracht und für die Bewerbungsmappen, die beim netten Makler abgegeben werden müssen, haben die Interessenten vorher einen Onlinekurs in Self-Marketing absolviert.

Wer jetzt denken sollte – kein Mensch will einen Pudel – der hat zwar einerseits recht, ignoriert aber die Problematik von Angebot und Nachfrage. Ja, nur wenige Menschen wissen die Eigenschaften des Pudels zu schätzen, aber noch weit weniger Menschen züchten sie überhaupt noch. Und da sind wir auch schon beim Berührungspunkt mit dem queeren Leben. Wenn man, so wie wir, als schwules Paar mit zwei Kindern auftritt, macht man sich schon Gedanken, wie man erfolgreich Züchtern gegenübertritt, deren Zwinger „Charmy Babes of Torgau“ heißen und deren Hunde frisiert sind wie Tiffy aus der Sesamstraße.

Wir hatten Glück. Die Züchterin, auf die wir nach langer, vergeblicher Suche gestoßen waren, antwortete am Telefon auf die Frage, warum der unverhofft wieder frei gewordene Welpenrüde ein rosa-weißes Halsband trüge, mit: „Das ist unser Transgender-Hund. Meine Tochter besteht auf geschlechtsneutraler Halsbandmarkierung.“

Ich schluckte kurz und antwortete: „Na wunderbar, dann passt er ja perfekt in unsere Familie.“

„Wieso?“, fragte sie, nun etwas unsicher.

„Weil ich auch Trans bin“, antwortete ich knapp. Am anderen Ende herrschte Schweigen. Ich hatte Angst, es vergeigt zu haben, mit meiner Offenheit.

„Ach so“, sagte sie schließlich, und damit war das Thema für sie offensichtlich erledigt.

Bis zum nächsten Tag als auf dem klingelnden Telefon ihre Nummer erschien.

„Es ist mir so unendlich peinlich“, eröffnete sie, und jetzt war ich mir sicher, den Welpen bereits verloren zu haben, bevor wir ihn je gesehen hatten.

„So etwas ist mir noch nie passiert, aber ich… also irgendwie war ich bei der Geburt so aufgeregt und da… Ja, also, es ist jedenfalls kein Rüde, sondern ein Mädchen!“

Ich war sprachlos.

„Ja, und jetzt ist es mir doppelt peinlich, weil ich doch auch noch diesen blöden Witz gestern gemacht habe, und mein Mann hat auch schon mit mir gemeckert, wie ich so etwas sagen kann, wo wir uns doch gar nicht kennen…“.

„Wir nehmen den Hund“, würgte ich sie ab. Konnte daran noch Zweifel bestehen?

Meine Schwiegermutter, die gerade zu Besuch war, bekam nach meinem Bericht einen Lachanfall, während meine Mutter, die ebenfalls zu Besuch war, mit den Augen rollte und stöhnte „Muss bei Dir immer alles mit Trans zu tun haben?“

Ich bekenne mich in diesem Punkt absolut unschuldig, war ich doch bei Allys Geburt 200 Kilometer entfernt und wusste noch gar nicht, was das Leben da für uns eingetütet hatte. Schnell musste ein neuer Name her – aus Alf, dem passionierten außerirdischen Katzenjäger, wurde Ally, die wilde Hilde, die drei Wochen später bei uns einzog. Und nur für den Fall, dass jetzt jemand denkt, das habe ich mir nur ausgedacht: Das ist die volle Wahrheit, klar erkennbar am hohen Unwahrscheinlichkeitsfaktor!